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Die Wahrheit aus Düsseldorf
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Hinweis: Dies ist eine Abschrift aus der Original-Anordnung.




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21.50.30-22/01
Düsseldorf 06. September 2002





Medienaufsicht nach dem Mediendienste-Staatsvertrag

Sperrung der Internet-Angebote www.stormfront.org und www.nazi-lauck-

nsdapao.com

Anordnung des sofortigen Vollzugs





Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit ordne ich die sofortige Vollziehung meiner Sperrverfügung vom 06.02.2002 in Gestalt meines Widerspruchsbescheides vom 29.07.2002 an.






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Begründung:

Meine Zuständigkeit hinsichtlich dieser Anordnung ergibt sich aus § 80 Abs. 2 Nr. 4 Satz l VwCO, da ich den zugrunde liegenden Verwaltungsakt sowie den Widerspruchsbescheid erlassen habe.

Bei der Anordnung des sofortigen Vollzugs handelt es sich nach herrschender Ansicht um einen unselbständigen Annex, nicht um einen Verwaltungsakt, so dass es Ihrer vorherigen Anhörung nach § 28 VwVfG nicht bedurfte, (vgl. Eyermann, Kommentar zur VwVO, § 80 Rdz, 41; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 80 Rdz. 181 ff, m.w.N.)

Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 Satz l VwGO kann die Behörde in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse liegt, diese besonders anordnen.

Danach ist eine Abwägung der für den sofortigen Vollzug sprechenden Belange und des dagegen streitenden Interesses des Betroffenen, zunächst von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, vorzunehmen.

Voraussetzung für eine Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nach h.M. ein über das „Erlassinteresse" hinausgehendes besonderes „Vollzugsinteresse" (vgj. Eyermann § 80 Rdz. 35). Es müssen besondere Gründe dafür sprechen, dass der Verwaltungsakt schon jetzt und nicht erst nach Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft verwirklicht, umgesetzt oder vollzogen wird (vgl. BVerfG NVwZ 1996, 58, 59, OVG Münster NVwZ 1998, 977)

Die besondere Dringlichkeit in bezug auf die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes ist primär bereichsspezifisch anhand des einschlägigen materiellen Rechts zu ermitteln. Inhalt und Funktion der Rechtsgrundlage für den angefochtenen Verwaltungsakt können gesetzliche Wertungen zur Eilbedürftigkeit der Realisierung der Verwaltungsmaßnahme enthalten. Insoweit ist das sofortige Vollziehbarkeitsinteresse durch das Erlassinteresse am Verwaltungsakt vorgeprägt, (vgl. Schoch, § 80 Rdz. 148).

Danach ist allgemein anerkannt, dass ein und dieselbe Ermächtigungsgrundlage sowohl die Gesichtspunkte für den Erlass des Verwaltungsaktes liefern als auch die Dringlichkeitsgründe für die Vollziehbarkeitsanordnung indizieren kann (vgl. Schoch m.w.N. a.a.O).

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Eine solche Identität zwischen Erlassinteresse und Vollzugsinteresse ist insbesondere für das Recht der Gefahrenabwehr anerkannt, (vgl. VGH BW NVwZ 1990, 781; OVG NW NVwZ 1991,692).

Grundsätzlich kann von einer Identität des Erlassinteresses und des Vollzugsinteresses bei Verstößen von § 12 Abs. l Ziff, l MdStV (Verstoß gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches) bereits deshalb ausgegangen werden, da Straftaten verwirklicht werden.

Die zu sperrenden Intemet-Angebote sind nach dem Mediendienste-Staatsvertrag insbesondere deswegen unzulässig, weil sie gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches verstoßen. Sie erfüllen u.a. die Tatbestände der Volksverhetzung nach § 130 Abs. l Abs. 2 und z.T. Abs. 3 StGB und des Verbreitens von Kennzeichen und Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB.

Da die Angebote i.S.v. § 12 Abs. l Ziff. 2-5 MdStV nicht nur die Menschenwürde verletzen, kriegsverherrlichend und jugendgefährdend sind, sondern gegen Normen des materiellen Strafrechts verstoßen, enthalten sie einen besonderen Unwertgehalt. Das Strafrecht stellt nämlich nur solche Sachverhalte unter Strafe, die unter den nicht wünschenswerten, zu missbilligenden, gefährdenden und evtl. schädigenden Verhaltensweisen von Menschen auf gar keinen Fall tolerabel, akzeptal und hinnehmbar sind.

An der Verhinderung bzw. Erfolgsbeseitigung von Straftaten besteht deshalb stets ein besonderes öffentliches Interesse.

Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - die Straftat nicht nur rein abstrakte Gefährdungen schafft, sondern der im Tatbestand beschriebene Erfolg sich realisiert hat und Wirkung entfaltet.

Bei der Volksverletzung nach § 130 Abs. l und Abs. 3 StGB handelt es sich um ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt, für das auch in den Internetfällen das deutsche Strafrecht gilt (BGH Urteil v. 12.12.2000 MMR 2001, 228 ff). Seine Anwendbarkeit ergibt sich aus § 3 StGB i.V.m. g 9 StGB. Wenn die volksverhetzenden Beiträge über ausländische Service-Provider verbreitet werden, handelt es sich um eine Inlandstat, weil der zum Tatbestand

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gehörende Erfolg in der Bundesrepublik eintritt (§ 9 Abs. 1,3 Alt StGB), Mit der Aufnahme der (konkreten) Eignung zur Friedensstörung in den Tatbestand des § 130 Abs. l u. Abs. 3 StGB hat der Gesetzgeber die enge Beziehung des Eintritts des Erfolgs zum Straftatbestand umschrieben und damit den zum Tatbestand gehörenden Erfolg selbst bestimmt.

Die Tat betrifft ein gewichtiges inländisches Rechtsgut, das zudem objektiv einen besonderen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland aufweist (BGH a.a.O.). Das Äußerungsdelikt des § 130 Abs. l StGB soll die inländische Bevölkerung schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen schützen, es will - wegen der besonderen Geschichte Deutschlands dem Ingangsetzen einer historisch als gefährlich nachgewiesenen Eigendynamik entgegenwirken. (BGH a.o.o.). Ein besonderer Bezug des Leugnungstatbestandes des § 130 Abs. 3 StGB zur Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aufgrund der Einzigartigkeit der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Verbrechen.

Nach allem besteht grundsätzlich ein besonderes Vollzugsinteresse daran, die Wirksamkeit von rechtsextremistischen Volksverhetzungsstraftaten, die sich als Internetangebote zugleich als inländische Dauerstraftaten darstellen, möglichst rasch und konsequent zu unterbinden.

Im übrigen besteht hinsichtlich der Sperrung der beiden in der Sperrungsvergügung genannten Angebote auch im vorliegenden Einzelfall ein besonderes Vollzugsinteresse,

Dieses ergibt sich daraus, dass die zuvor aufgezeigte Strafbarkeit faktisch nicht zu einer Strafverfolgung führt und somit die Verteidigung der Rechtsordnung - eine der Kernaufgaben des Strafrechts (vgl. Tröndle/Fischen Kommentar zum StGB, § 46 Rdz. 2 u. 9) - allein mit den Mitteln des Ordnungsrechtes herbeigeführt werden kann.

Wie schon in meiner Sperrverfügung dargestellt, haben sich Maßnahmen gegenüber den verantwortlichen Service- und Content-Providern als nicht durchführbar und nicht Erfolg versprechend erwiesen. Dies gilt sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht.

In seinem First-Amendment (vgl. Urteil US. District Court for the Northern District of California: Yahoo v. LICRA, 28 USC § 2201, Entscheidung vom 07.11.2001-(-00-21275JF)) schützt die amerikanische Verfassung sowohl die dortigen Content- als auch Service-Provider

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hinsichtlich rechtsextremistischer Äußerungen, die in der Bundesrepublik Deutschland strafbar wären. Diese werden in der USA als Ausdruck der freien Meinungsäußerung verstanden.

Aus diesem Grund weigert sich die amerikansiche Aufsichtsbehörde ausdrücklich, aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Service-/Content Provider nazi-lauck-nsdapao und stormfront zu ergreifen (s. den Hinweis in meinem Widerspruchsbescheid vom 29.07.2002).

Soweit die v.g, Provider als Service-Provider fremde Inhalte, insbesondere deutscher oder anderer europäischer Content-Provider anbieten, bleiben diese Content-Provider anonym oder agieren unter offensichtlichen Falschnamen. Mit legalen Mitteln sind die Content-Provider nicht zu ermitteln.

Nach alledem scheitert eine nach deutschem Recht mögliche Strafverfolgung der primär verantwortlichen Service- und Content-Provider an dem Recht einer anderen Rechtsordnung sowie an der Nichtermittelbarkeit der „Haupttäter".

Mit dem Versagen einer strafrechtlichen Ahndung der unzulässigen Inhalte entfällt aber auch die der Strafverfolgung immanente Funktion der Verteidigung der Rechtsordnung, die allgemein so verstanden wird, „dass die Strafe auch die Aufgabe hat, die durch die Tat verletzte Ordnung des Rechts gegenüber dem Täter durchzusetzen und künftigen Verletzungen durch ihn oder andere vorzubeugen" (Tröndle, § 46, Rdz. 9)

Diese Funktion wird vorliegend vom Ordnungsrecht übernommen, indem durch die Inanspruchnahme der Access-Provider nicht nur eine Störung der öffentlichen Sicherheit, sondern gleichzeitig der fortdauernde Erfolg einer Straftat unterbunden wird, der mit den Mitteln des Strafrechts hier nicht unterbunden werden kann. Diese Sachlage begründet vorliegend ein besonderes Vollzugsinteresse, denn Erfolge von Straftaten sind - wie diese selbst - mit allen Mitteln und möglichst rasch zu unterbinden.

Dem gegenüber unterliegt Ihr Interesse am einstweiligen Nichtvollzug. Der Ihnen durch die Sperrung der beiden Angebote entstehende Aufwand ist gering, Eine DNS-Sperrung kann beispielsweise ohne Material- und mit nur geringen Personalaufwand durchgeführt werden.

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Diesbezüglich verweise ich auf die Ausführungen in meiner Verfügung vom 06.02.2002 und in meinem Widerspruchsbescheid vom 29.07.2002.

Im übrigen haben Sie in Ihren Rechtsbehelfen erfreulicher Weise deutlich gemacht, dass Sie sich nicht mit den neonazistischen Angeboten identifizieren und die strafbaren Inhalte als Internetangebote ebenfalls ablehnen. Ihre Klageerhebung begründet sich vielmehr aus dem grundsätzlichen Standpunkt, dass jede Sperrung bei Ihnen als Access-Providern rechtswidrig und unzweckmäßig sei. Auch aus diesem Grund werden durch die einstweilige Sperrung der rechtsextemistischen Angebote keine Tatsachen geschaffen, die Ihnen unzumutbare Nachteile einbrächten, bzw. Sie unverhältnismäßig belasteten.

Zudem sind die Sperrungen jeder Zeit reversibel, so dass eine sofortige Vollziehung meiner Sperrverfügung nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führt.

I.Ü. halte ich die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch aus Gründen der Effektivität der Gesamtmaßnahme für erforderlich.
Wie Ihnen bekannt ist, habe ich sämtliche mir bekannte Access-Provider in Nordrhein-Westfalen zur Sperrung der strafbaren rechtsextremistischen Internet-Inhalte aufgefordert. Gegen meine Sperrverfügung haben 38 von 76 Access-Providern Widerspruch erhoben. Nach Zurückweisung sämtlicher Widersprüche ist nach derzeitigem Stand lediglich in 10 Fällen Klage erhoben worden.
Bei dieser Sachlage ist nicht auszuschließen, dass potenzielle Nutzer der rechtsextremistischen Angebote ihren Access-Provider wechseln und den Zugang bei Ihnen oder den übrigen klagenden Providern suchen.
Damit stünde nicht nur die Wirksamkeit der gesamten Sperrmaßnahme in NRW in Frage, Ihnen würde darüber hinaus aus der Einlegung eines Rechtsmittels ein wirtschaftlicher Vorteil gegenüber Ihren Mitkonkurrenten am Markt erwachsen, den weder der Mediendienste-Staatsvertrag noch die Verwaltungsgerichtsordnung vorsieht.
Eine solche Folge halte ich im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung für unvertretbar und unbillig.

Da mit einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung wegen der zu entscheidenen Grundsatzfragen vorerst nicht zu rechnen ist und das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung meiner Sperrverfügung gegenüber Ihrem Interesse am einstweiligen

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Nichtvollzug überwiegt, halte ich es nach Ihrer Klageerhebung nunmehr für geboten, die sofortige Sperrung der beiden Internet-Angebote www.stormfront.org und www.nazi-lauck-nsdapao.com anzuordnen.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Anordnung des sofortigen Vollzugs kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt werden. Der Antrag ist beim Gericht der Hauptsache, also dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf zu stellen. Die Vollziehung kann auf Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO auch von der Widerspruchsbehörde ausgesetzt werden

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag Signatur
(Schütte)

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